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Beitrag vom 18.11.2009
Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld untersucht gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Europa
AVIVA-Redaktion
Bei einer Pressekonferenz in Berlin am 13. November 2009 wurden die ersten alarmierenden Ergebnisse einer Umfrage zu Vorurteilen und Diskriminierungen in acht europäischen Ländern veröffentlicht.
Vorurteile bedrohen den zivilen Zustand von europäischen Ländern. Das ist die Botschaft einer repräsentativen Studie, die seit dem Winter 2008 läuft, zu Intoleranz in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Portugal, Polen und Ungarn.
Die Hälfte der EuropäerInnen in diesen Ländern (50.4%) teilen negative Einstellungen gegenüber ImmigrantInnen und stimmen der Aussage: "Es gibt zu viele Einwanderer" zu. 31.1% der Befragten meinen, "es gäbe eine natürliche Hierarchie zwischen schwarzen und weißen Menschen". 24.5% unterstellen, dass "Juden zu viel Einfluss" in ihrem Land haben. Anti-muslimische Vorurteile sind weit verbreitet in ost- und westeuropäischen Ländern, und jede/r zweite EuropäerIn (54.4%) nimmt den Islam als "Religion der Intoleranz" wahr. Immer noch vertritt eine Mehrheit der EuropäerInnen (60.2%) sexistische Einstellungen, die Frauen auf traditionelle Geschlechtsrollen festlegen. 42.6% verneinen gleiche Rechte für homosexuell orientierte Menschen und sehen Homosexualität als unmoralisch an.
Zu den wichtigsten Gründen einer "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" gehören autoritäre Einstellungen, so das subjektive Gefühl der Bedrohung durch Fremde und die Zurückweisung von kultureller Unterschiedlichkeit. Viele andere Faktoren, wie das Bildungsniveau, starke nationale und regionale Identifikationen oder die Religiosität erhöhen die Vorurteile in Europa. Und diese Vorurteile motivieren Menschen dazu, eine vorurteilsbehaftete Politik gut zu finden. Zum Beispiel würden in Großbritannien 49.9%, in Ungarn 28.1% und in den Niederlanden 37,3% eine Partei wählen, die die Zuwanderung reduzieren möchten. Fast 50% der EuropäerInnen (Niederlande 67,8%) würden nicht in eine Wohngegend ziehen, in der viele Einwanderer leben.
Angesichts der Studie erklärte Cem Özdemir, Vorsitzender von Bündnis90/Die Grünen und langjähriger Europapolitiker: "Vielfalt ist nicht nur eine Chance, sondern auch eine Herausforderung für Deutschland und Europa. Gerade weil niemand als Demokrat geboren wird, müssen wir in unseren Bildungseinrichtungen doch viel mehr Wert legen auf eine aktive Erziehung zur Demokratie, um Vorurteilen und Rassismus das Wasser abzugraben."
Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, und Verantwortliche für das Netzwerk "Living Equality", hob die Bedeutung vereinter europäischer Initiativen hervor. Ihnen ginge es darum, eine gemeinsame nicht rassistische Zivilgesellschaft zu entwickeln, die durch die weit geteilte Menschenfeindlichkeit immer wieder gefährdet wird. Die Menschenfeindlichkeit würde häufig von Ländern heruntergespielt, weil diese sich davor fürchteten, dafür schuldig gesprochen zu werden. Mit dem Blick in die Vergangenheit, die Gegenwart und Zukunft befürchtet Kahane, dass das Reservoir der Menschenfeindlichkeit im Rechtsextremismus und Rechtspopulismus noch hinreichend gut gefüllt sei.
Die Umfrage wird von Prof. Dr. Andreas Zick und Dr. Beate Küpper am Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld geleitet. Sie wird von einem WissenschaftlerInnenteam der Universitäten Amsterdam, Bielefeld, Budapest, Grenoble, Lissabon, Marburg, Oxford, Padua, Paris und Warschau durchgeführt. Die Fortsetzung der Studie ist abhängig von einer Weiterfinanzierung, die zurzeit noch nicht gesichert ist.
Weitere Infos zur Umfrage finden Sie im Netz unter:
www.amadeu-antonio-stiftung.de
www.uni-bielefeld.de/ikg